Thomas Waldmeier

Du warst der erste Stiftungsratspräsident der heutigen Pensionskasse SRG SSR (PKS). In den Jahren 2002 und 2003 wurden die SRG-Versicherten aus der Pensionskasse des Bundes (PKB) herausgelöst und in die neu gegründete PKS überführt. In welche Zeit fiel diese Umstellung?

Die Geburt der Pensionskasse SRG SSR (PKS) fiel in eine turbulente Phase der beruflichen Vorsorge: Die Revision des beruflichen Vorsorgegesetzes, weiterhin sinkende Aktienkurse als Nachwehen der geplatzten Internet-Blase, tiefe Zinsen auf Obligationen sowie unerfüllte Erwartungen an einen wirtschaftlichen Aufschwung. Eine Pensionskasse ist aber zwingend auf eine gute Rendite – der dritten Beitragszahlerin neben den Arbeitgebern und versicherten Mitarbeitenden – angewiesen. Damals befanden sich im Stiftungsrat alles Laien, die kaum über Erfahrungen als oberstes Führungsgremium einer PK verfügten. Wir waren sehr auf die Unterstützung der PKS-Geschäftsführung, des externen PK-Experten und des unabhängigen Anlage-Experten angewiesen. Wir nahmen uns für die Meinungsbildung im Stiftungsrat jeweils viel Zeit, da dies für uns zugleich «Lernen» bedeutete.

Eine junge Pensionskasse wird anders geführt als eine alte. An welchen Kinderkrankheiten litt die PKS? Was gelang ihr auf Anhieb erstaunlich gut?

Die damalige Pensionskasse des Bundes (PKB) hatte der PKS zu ihrem Start keine Reserven mitgegeben, einzig das volle Deckungskapital der aktiven Versicherten. Auf der anderen Seite konnte die PKS alle bisherig pensionierten Mitarbeitenden der SRG bei der PKB belassen. Die PKS musste somit nicht das Risiko von Pensionierungsverlusten, das heisst nicht ganz ausfinanzierten Renten, tragen.

Um einen harmonischen Übergang von der PKB zur PKS zu schaffen, übernahmen wir damals viele Regelungen der PKB. Doch schon nach kurzer Zeit realisierten wir im Stiftungsrat, dass die Bedingungen für vorzeitige Pensionierungen zu attraktiv waren und die PKS in solchen Fällen Verluste erlitt, die zulasten der Rendite gingen. Nach etlichen Diskussionen im Stiftungsrat einigten wir uns auf eine neue Lösung: Die Bedingungen für vorzeitige Pensionierungen wurden strenger gestaltet, und die PKS reizte das Risikopotenzial entsprechend der noch bescheidenen Risikofähigkeit aus, um mit einem optimierten Aktien-Engagement die angestrebte Zielrendite hereinzuholen.

Als junge PK kannten wir das eigentliche Verhalten – wie die durchschnittliche Lebenserwartung, Heiratswahrscheinlichkeit, Invaliditäts- und Todesfallrisiken – der eigenen Versicherten noch nicht. Später konnten wir auf eigene Statistiken zurückgreifen und Schlussfolgerungen daraus ziehen. Uns gelang es recht gut, zu Gunsten aller Beteiligten zu handeln.

Welche Herausforderungen stellten sich der PKS in den Folgejahren?

Gouverner, c’est prévoir! Der Stiftungsrat befasste sich fortwährend mit anstehenden Risiken. Die Zeiten wurden unsicherer und die Märkte gegenüber früher dynamischer und volatiler. Es war nicht mehr möglich mit festverzinslichen Papieren wie Obligationen die erforderliche Rendite von 4,5 Prozent zu erwirtschaften und mit Aktien den Zugewinn zu erzielen.

«Der Anlageerfolg ist als dritter Beitrags­zahler für das PK-System unerlässlich»

Im so genannten «magischen Dreieck» zwischen Beiträgen von Arbeitnehmenden und Arbeitgeberin, der Rendite und den versprochenen Leistungen das Gleichgewicht zu halten wurde zunehmend schwieriger. Auf dem Radar hatten wir die zunehmende Lebenserwartung und der damit verbundene längere Rentenbezug, die weiter sinkenden Zinsen, ja, sogar Sanierungsmassnahmen. Und natürlich das Leistungsprimat, welches zunehmend einen schweren Stand in einem modernen Arbeitsumfeld hatte. Über die Jahre durchliefen wir, auch im Rahmen von Sommer-Workshops, einen intensiven Lernprozess und kamen mit kleinen Schritten vorwärts.

Der PKS-Stiftungsrat beschloss Ende 2013 die Umstellung vom bisherigen Leistungsprimat ins Beitragsprimat. Bei der Urabstimmung im Oktober 2013 sprach sich die Mehrheit des Personals der SRG und TPC für einen Wechsel ins Beitragsprimat aus. Wie gelang es der PKS diese Reform erfolgreich durchzuführen?

Ein Leistungsprimat passt vor allem in ein Umfeld mit stabilen Verhältnissen. Die Arbeits- und Finanzwelt hat sich gegenüber früher stark verändert: Die Zinslandschaft ist problematischer geworden, Mitarbeitende wechseln öfters die Stelle oder ändern den Beschäftigungsgrad. In dieser Dynamik ist ein Beitragsprimat leichter zu führen. Die Meinungsbildung im Stiftungsrat kam einer gewagten Gratwanderung gleich. Auch ohne Primatwechsel hätte die PKS Systemkorrekturen vornehmen müssen, deren Finanzierung den Stiftungsrat vor grosse Probleme gestellt hätte. Die SRG unterstützte den Wechsel des Primates und stellte eine Kostenbeteiligung zur Abfederung der Auswirkungen auf die Mitarbeitenden in Aussicht. Als das Lösungspaket beisammen war, erklärten wir im Rahmen von über 30 Roadshows den Mitarbeitenden das komplexe und für Laien schwer verständliche Projekt. Bei der Urabstimmung entschieden sich 65 Prozent der Abstimmenden für den Wechsel. Das deutliche Ergebnis war eine grosse Erleichterung und bestärkte den Stiftungsrat im Vorgehen.

Im finanzstarken Jahr 2006 sagtest Du aus, dass der Vertrauensverlust für Pensionskassen schlimmer ist als diejenigen Verluste, welche schlechte Börsenjahre verursachen. Im Vorwort 2007 «ohne Anlageerfolg ist alles nichts». Im Jahr 2008 folgte die Finanzkrise. Wie stehst Du heute zu diesen Aussagen?

Meine Vorworte in den Geschäftsberichten der PKS betrachtete ich stets als ein Stück Weiterbildung für die Leserschaft. Ich berichtete nicht nur über die Erfolge der PKS, sondern auch über Probleme, mögliche Lösungswege und Folgen. Zudem wollte ich dadurch das Vertrauen in die PKS und den Stiftungsrat stärken. Der Anlageerfolg ist als «dritter Beitragszahler» für das PK-System weiterhin unerlässlich und zwingend nötig. Aus Erfahrung wissen wir, dass auf Krisen und finanzielle Verluste sich auch wieder Gewinne einstellen. Die durchschnittliche Rendite über die Zeit muss aber stimmen. Einmal verlorenes Vertrauen in den Stiftungsrat oder in die PK lässt sich hingegen fast nicht mehr wettmachen. Es braucht zumindest Jahre, um dieses wertvolle Gut zurückzugewinnen. Dem Stiftungsrat kommt deshalb die wichtige Rolle als Treuhänder zu; es ist eine Vertrauensposition mit viel Verantwortung.

Kaum ein Wort beherrscht die öffentliche Diskussion mehr als «das Klima», so deine Worte im Rückblick aufs Jahr 2012. Noch heute ist das Wort Klima in aller Munde. Seit 2018 hält die PKS Wertschriftenpapiere, welche Versicherungsrisiken wie Erdbeben, Windstürme oder Überflutungen beinhalten und wofür Investoren mit einer Prämie entschädigt werden. Welche «klimatischen» Investitionsoptionen standen damals zur Diskussion?

Ich verglich die damaligen Turbulenzen in der PK-Landschaft mit einem Klimawandel. Wie das Klima befindet sich auch das Pensionskassenwesen in einem fundamentalen Wandel. Es gab nicht nur die üblichen Stürme, Schlechtwetterperioden und wieder Phasen von Wetterberuhigungen, sondern die Rahmenbedingungen begannen sich stetig und tiefgreifend zu verändern. In einer anhaltenden Tiefzinsphase – damals war sie noch nicht im Negativbereich – warfen festverzinsliche Anlagen kaum noch Renditen ab. Gewinnpotenzial wiesen nur noch das Risiko-Engagement und Immobilien aus, wofür die PKS jedoch kein Reservepolster mitbrachte. Das Klima hat ja auch kein Ausgleichsbecken, um den kontinuierlichen Temperaturanstieg zu kompensieren. Mit einem geringen Reservepolster ist die Risikofähigkeit einer Pensionskasse eingeschränkt; das Anlagemanagement bestand aus einem laufenden Optimieren bei gleichzeitiger Risikoabwägung. Heute hat das klimagerechte Investieren des Anlagevermögens eine viel grössere Bedeutung als zu meiner Zeit als Stiftungsrat. Je nach Investition leistet man der Klimaerwärmung Vorschub oder trägt zur Reduktion von CO2 bei. Die Klimabewegung und die wissenschaftlichen Erkenntnisse fördern ein klimaverträgliches Engagement. In diesem Jahr kommt es zur zweiten Auflage eines Tests, den das Bafu zusammen mit dem Staatssekretariat SIF angestossen haben. Banken, Pensionskassen und Versicherungen können freiwillig ihr Verhalten auf Nachhaltigkeit überprüfen und dazu beitragen, dass branchenweite Standards entstehen.

Thomas Waldmeier, 64jährig, lenkte als Präsident bis Ende 2014 die Geschicke der 2002 gegründeten Pensionskasse SRG SSR (PKS), neben seiner Funktion als HR-Leiter der SRG SSR. Heute ist er als Head of Partner Relations bei der SRG-Zweigniederlassung SWI swissinfo.ch tätig. 

Anmerkung der PKS: Das Interview fand vor der Corona-Krise statt.


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