Catherine Mathez
Vor sechs Jahren haben wir Dich über das Wohnprojekt La Meute in Plaines du Loup in Lausanne befragt. Natürlich sind wir neugierig, wie sich das Projekt seither entwickelt hat.
Im Jahr 2017 war noch nicht einmal das Fundament für das Gebäude gelegt, und seit Sommer 2022 ist unser Gebäude bewohnbar. Dazwischen lagen abenteuerliche Jahre, zum einen wegen Covid, zum anderen wegen des Krieges in der Ukraine. Deshalb konnten zum Beispiel die Baumaterialien nicht geliefert werden. Letztendlich hatten wir Glück, wir waren die erste Genossenschaft, die gebaut hat, die anderen nach uns hatten mit Verzögerungen und höheren Kosten zu kämpfen.
Das Projekt La Meute verfolgt kulturelle, soziale und ökologische Ziele, darunter die Einrichtung eines Kunstzentrums, eines Sozialcafés und einer Werkstatt für Reparaturen aller Art. Wurden diese Ziele erreicht? Welche Einrichtungen sind tatsächlich entstanden und wie erfolgreich waren sie?
Wir hatten einen grossartigen Architekten mit einer klaren Vision. Die Realität entspricht genau dem Projekt, das der Stadt Lausanne vorgelegt wurde, und unseren Erwartungen. Ich bin seit 2016 Präsidentin der Genossenschaft, und wir konnten uns ständig einbringen und an Entscheidungen mitwirken. Wenn jemand aus der Nachbarschaft eine gute Idee hat, steht es ihm frei, sie vorzuschlagen. Man kann Mitglied der verschiedenen Vereine werden, zum Beispiel des Cafés du Loup und des Ateliers La Cale, und so an den Aktivitäten teilnehmen und sie unterstützen.
Wäre ich zum Beispiel die Besitzerin des Sozialcafés in Deiner Nachbarschaft, böte gute Arbeitsbedingungen und würde die Menschenrechte achten, sollte das nicht die Regel sein und in diesem Sinne ist es ja nicht aussergewöhnlich nachhaltig, oder? Was zeichnet Dein Projekt in Bezug auf alle Dimensionen der Nachhaltigkeit aus?
Das Projekt ist an sich nachhaltig, da die Genossenschaft 90 Jahre lang bestehen soll, und deckt darüber hinaus verschiedene Aspekte ab, darunter ökologische Verantwortung und sozioökonomische Gleichberechtigung. Zum ersten Mal entsteht in Lausanne ein Ökoviertel mit geothermischer Energie für die Heizung, Solarzellen für den Strom, einem speziellen System für die Bewässerung der Pflanzen usw. Alles ist aufs Konzept der 2000-Watt-Gesellschaft abgestimmt und wird nach den Standards von Minergie-P-ECO kontrolliert. Wir konnten also alle Kästchen im Nachhaltigkeitsformular ankreuzen.
Hast Du konkrete Beispiele für sozio-ökonomische Gleichberechtigung?
Der kulturelle und soziale Aspekt wird durch das Projekt ebenfalls abgedeckt. Wir haben ein Viertel, das für andere Viertel in der Nähe und für ganz Lausanne offen ist. Unser Kunstzentrum CALM organisiert verschiedene Workshops und erstellt Podcasts mit Hilfe von zwei Kuratoren, die das umfangreiche Programm des CALM verwalten. Unsere Mehrzweckwerkstatt steht für Holzarbeiten, Fahrradreparaturen und den Druck von Grafiken zur Verfügung. Wir haben dort gerade Nistkästen für Vögel gebaut. Ausserdem gibt es vier Wohnungen für unbegleitete Minderjährige, die sich im Asylverfahren befinden. Einmal im Monat treffen wir uns mit unserer Nachbarschaft zu einem gemütlichen Abendessen, bei dem die jungen Migrantinnen und Migranten oft leckere Rezepte aus ihren Heimatländern kochen.
«Dieses Projekt war ein echtes Learning-by-Doing.»
Wir freuen uns sehr, dass das Projekt so erfolgreich umgesetzt und weitergeführt werden konnte. Alle scheinen auch heute noch sehr motiviert zu sein. Hast Du dafür eine Erklärung?
Das ist gerade das Magische daran. Ich bin Mitglied in mehreren Vereinen und es gibt immer eine Gruppe von Leuten, die am Anfang sehr motiviert sind, aber dann lässt die Zusammenarbeit oft nach, bis ein anderes Team den Staffelstab übernimmt... oder auch nicht. Wir von La Meute haben ein neues Konzept: Niemand wird gezwungen, die Leute sind frei und es wird ihnen auch nichts vorgeworfen. Das Wasser fliesst von selbst durch die Mühle.
Du hast damals gesagt, dass es wichtig ist, sich vom klassischen Immobilienmarkt abzukoppeln und sein Lebensumfeld selbst zu gestalten und zu kontrollieren. Warum?
Ja, sonst ist man von der Spekulation und der Willkür der Vermieter:innen abhängig. Mit diesem Projekt haben wir die Kosten und das Budget unter Kontrolle. Trotzdem können wir nicht einfach alles machen, sondern müssen auch die Anforderungen der Stadt Lausanne erfüllen.
Wenn jemand sein eigenes Haus baut, tut er dies in der Regel nur ein einziges Mal. Welche Tipps kannst Du Bauanfängerinnen und Bauanfängern geben?
Wir sind Pionierinnen im Rahmen des Lausanner Projekts Métamorphose und mussten uns mit vielen Herausforderungen auseinandersetzen! Es war ein echtes Learning-by-Doing. Wir mussten mit den verschiedenen Akteuren der Immobilienbranche diskutieren und uns zusammensetzen, um eine zufriedenstellende Lösung zu finden, was uns anscheinend gelungen ist.
Catherine Mathez, 52 Jahre, ist seit fast 20 Jahren Musikdokumentarin bei RTS. Sie ist dem Wohngenossenschaftsprojekt La Meute beigetreten, hält Anteilsscheine und finanzierte diese 2017 mit einem Teil ihres PKS-Vorsorgeguthabens.
La Meute entstand im Rahmen des städtischen Projekts Métamorphose in Lausanne. Gleichzeitig ist es das erste Projekt innerhalb des Lausanner Projekts, bei dem man viele Dinge von Grund auf lernen musste, von denen nun andere profitieren. Dank einer klaren Vision und eines partizipativen Prozesses entspricht die heute bewohnte Siedlung genau dem Bauplan.
Weitere Erfolgsgeschichten
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Der Wirtschaftsredaktor Luca Fasani ist seit 2002 für RSI tätig und seit 2013 Mitglied in PKS-Gremien. Im Interview erzählt er unter anderem über den Rhythmuswechsel, welchen die beiden Rollen mit sich bringen.