Jürg Schäffler

Nach über 30 Jahren bei der SRG hast Du Dich im Sommer 2020 in den Ruhestand – Corona halber ohne grosse Feier – verabschiedet. Was vermisst Du aus Deiner Aktivzeit? Wie sieht Dein Alltag heute aus?

Was mir zu Beginn gefehlt hat, waren zwei Dinge; einerseits der Austausch mit den Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen zu Alltags- wie SRG-Themen, andererseits das SRG-Intranet. Anstelle der physischen Kontakte ist nun wegen Covid auch bei mir Skype und Microsoft Teams die neue Realität. Der Alltag bleibt aber reich gefüllt mit Aktivitäten zusammen mit meiner Partnerin hier oder im Tessin und mit Sport, insbesondere dem Rudern. Zudem habe ich Zeit zum Lesen, für Weiterbildungen und mich für Terre des hommes zu engagieren. Und nach wie vor verfolge ich mit Interesse die Finanzmärkte.

Welche Erinnerungen hast Du an den Stiftungsrat in den ersten Jahren der PKS?

Nur gute Erinnerungen. Es war eine spannende Zeit, die mir auch persönlich, menschlich viel gegeben hat! Alles begann mit dem Auftrag an Gertrud Stoller und mich, die Gründung einer eigenen Pensionskasse zu prüfen und auch umzusetzen. Dann ging 2003 die PKS an den Start und mit Bestellung der Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter*innen durch den Stiftungsrat kam dann auch der Alltag in das verantwortliche Führungsgremium der Pensionskasse der SRG. Für die Mehrheit der Mitglieder des Stiftungsrates waren die Aufgabe und das Vorsorgethema neu. Alle im Stiftungsrat hatten die Neugier und den Willen, sich weiterzubilden. Das war zum Beginn auch der rote Faden bei den Entscheidungsfindungen im Stiftungsrat; zuerst die Ausbildung auf dem Thema, das Aufzeigen möglicher Lösungsansätze unter Berücksichtigung von Gesetzen und Verordnungen und dann die Meinungsbildung gefolgt vom Entscheid. Dieses Vorgehen brauchte teilweise auch etwas mehr Zeit, was meine ungeduldige Art auf die Probe stellte. Dafür war das Ergebnis umso nachhaltiger, weil der Entscheid von allen Gremienmitgliedern mitgetragen wurde.

An welche Geschäfte erinnerst Du Dich besonders?

An die erste BVG-Revision im Jahre 2004 und die Strukturreformen in der Beruflichen Vorsorge seit 2012, welche die PKS umsetzen musste. Dann natürlich die Fusion der Personalvorsorgeeinrichtung mit der PKS 2005 und die Anschlüsse weiterer Organisationen an die PKS, wie zum Beispiel der Glückskette. Aus meiner Sicht war allerdings der Primatwechsel 2013/2014 das Meisterstück.

«Die Anlagekommission setzt sich regelmässig mit Was-wäre-wenn-Szenarien auseinander.»

In welchen anderen Themen war die PKS noch fortschrittlich und wo hätte sie fortschrittlicher sein können? Der Artikel 47a BVG verpflichtet seit 1. Januar 2021 Pensionskassen, Versicherte ab 58 Jahren im Falle einer Auflösung des Arbeitsvertrages durch Arbeitgebende weiter zu versichern. Eine freiwillige Weiterversicherung bietet die PKS schon seit 2003 an.

Aus meiner Sicht ist die PKS mit einem sehr fortschrittlichen Vorsorgereglement gestartet, ebendieser freiwilligen Weiterversicherung sowie mit der Lebenspartnerrente, die später auch auf die gleichgeschlechtliche Partnerschaft ausgeweitet wurde. Seit zwei Jahren ist es auch möglich, dass Arbeitnehmende ihre Altersvorsorge durch einen zusätzlichen Sparbeitrag von zwei Prozent verbessern können. Die Geschäftsführung der PKS hat sich immer wieder um Verbesserungen und Optimierungen aus eigenem Antrieb bemüht und Lösungsvorschläge erarbeitet. Etwas zurückhaltender waren wir, als grosse Pensionskassen damit begonnen haben, die Vorsorgepläne zu individualisieren, das heisst Wahlmöglichkeiten und verschiedene Vorsorgepläne anzubieten. Angesichts der Komplexität, Auswirkungen auf die Administration, Kosten, Qualitätsrisiken und tiefer Nachfrage seitens der Versicherten konnte die PKS diese Optionen nicht weiter prüfen. Ich bin aber sicher, dass, wenn seitens der Versicherten Anfragen und Bedürfnisse gegenüber der PKS signalisiert werden oder sich das Umfeld für die aktiven Versicherten verändert, die PKS darauf reagieren wird.

Welche Erkenntnisse ziehst Du nach 18 Jahren in der Anlagekommission aus über 200 Sitzungen?

Zusammengefasst bin ich sicher gelassener – insbesondere bei Abschwüngen an den Finanzmärkten – geworden, kann Finanzrisiken besser einschätzen und habe gelernt vorausschauend in Szenarien zu denken. Auch zu wissen, dass man über ein gutes, tragfähiges Netzwerk verfügt und in ein solches eingebunden ist, hilft ungemein. Als Schweizer Bürgerin und Bürger ist man mit 18 Jahren volljährig und urteilsfähig, und so fühlte ich mich auch als Mitglied des Stiftungsrates und der Anlagekommission [mit einem Schmunzeln im Gesicht]: volljährig und urteilsfähig in einem interessanten, spannenden Umfeld. Ich habe jedes Jahr und jedes Meeting mit der Anlagekommission, genossen und viel gelernt; ich war immer zu spät, wenn die Börse auf Talfahrt ging, ich war immer zu spät, wenn sich die Märkte erholt hatten und die Börse wieder am Steigen war. Auch habe ich niemanden getroffen, der mir verlässliche Zinsprognosen machen konnte, auch niemanden, der wusste, wie sich die Währungen und Märkte entwickeln würden, aber hinterher wusste ich immer, weshalb es so gekommen ist und weshalb ich den Humor und die Zuversicht behalten habe.

Ein geflügeltes Wort besagt ja «Nach der Krise ist vor der Krise». Wie ist die Anlagekommission mit den verschiedenen Finanzkrisen umgegangen?

Meine Erkenntnisse aus allen Krisen waren, dass man aus Krisen für die nächste Krise lernen kann und muss, denn verhindern oder ausweichen kann man ihnen nicht. Das haben wir in der Anlagekommission dann auch getan, sei es in der Ausgestaltung aller Anlageprozesse, in der Organisation und in der Kommunikation der Anlagekommission. Die Anlagekommission prüfte periodisch die Risikofähigkeit, setzte sich mit Was-wäre-wenn-Szenarien auseinander und definierte entsprechende Handlungsoptionen.

Finanzkrisen und ihre Erholungsdauer

  • 2001: Nach dem Platzen der Technologieblase und dem Terroranschlag am 11. September 2001 auf das World-Trade-Center verlor der Dow-Jones-Index 25 Prozent an Wert und brauchte bis Oktober 2006, um sich wieder zu erholen.
  • 2008: Der Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers am 16. September 2008 löste eine Immobilienkrise aus. Der Dow-Jones-Index verlor 44 Prozent an Wert und brauchte bis Dezember 2010, um sich zu erholen.
  • 2010: Im Mai 2010 kam es zu einem Flash-Crash, einer Phase mit mehreren starken Kurseinbrüchen an den Finanzmärkten. Dabei verlor der Dow-Jones-Index 12 Prozent und brauchte fünf Monate, um sich davon zu erholen.
  • 2020: Das Coronavirus bestimmt seit Februar 2020 die Welt. Anfänglich reagierten die Börsenplätze mit Kurseinbrüchen. Der DAX zum Beispiel verlor binnen vier Wochen 40 Prozent und der Dow-Jones-Index 35 Prozent an Wert. Allerdings erholten sich die Aktienmärkte relativ schnell wieder und wiesen Ende 2020 sogar höhere Werte auf als Anfang 2019. 

Die Nachhaltigkeit in der Anlagetätigkeit von Pensionskassen wird zunehmend wichtiger, nicht zuletzt, weil Pensionskassen zu den grössten und einflussreichsten Anlegergruppen gehören. Ihr Beitrag ist entscheidend bei der Lösung von sozialen wie Umweltproblemen. Inzwischen zeigt sich, dass nachhaltige Investitionen gleich rentabel oder sogar rentabler sind. Wie gingst Du mit dieser Verantwortung als AK-Präsident um?

Seit der Gründung der PKS ist Nachhaltigkeit verbunden mit einer Standortbestimmung im Stiftungsrat immer wieder ein Thema. Über viele Jahre waren auf dem Finanzmarkt nur wenige Produkte verfügbar, die Messung des Anlageerfolgs war wenig harmonisiert, auch fehlten Vergleichsmassstäbe und die Kosten bei solchen Vermögensverwaltungsmandaten waren überproportional hoch. Nichtsdestotrotz legte die PKS einen kleinen Teil ihres Vermögens in einem Mikrofinanzfonds an. Solche Fonds sind wichtige Instrumente in der Entwicklungspolitik, weil Kredite in Märkten verfügbar gemacht werden, welche von den klassischen Banken nicht bedient werden. Mittlerweile gibt es mehr Anlagemöglichkeiten nach international anerkannten Nachhaltigkeitsstandards und der Markt für nachhaltige Anlagen entwickelt sich sehr dynamisch. Vor rund vier Jahren hat der Stiftungsrat den Grundsatz gefällt, dass es für die PKS wichtig ist, ihr Vermögen in nachhaltig wirtschaftende Unternehmen zu investieren. Das daraus entstandene Konzept wird nun seit 2018 schrittweise umgesetzt. Für Anleger werden der Einbezug von Nachhaltigkeitskriterien neben den klassischen Elementen bei einem Anlageentscheid zur Pflicht werden. Auch glaube ich, dass aus Kunden- und Anlegersicht, mittelfristig Unternehmen, die der Nachhaltigkeit und guten Unternehmensführung nicht glaubwürdig nachkommen, aus dem Markt verdrängt oder verschwinden werden.

Wir danken dir herzlich für dieses lehrreiche Interview und vor allem für deinen unermüdlichen Einsatz als Wegbereiter der PKS. Für die Zukunft wünschen wir dir gute Gesundheit und ganz viel Erfüllung bei deinen Aktivitäten und deinem Engagement.

Jürg Schäffler (63) stand über 30 Jahre als Leiter Finanzen in den Diensten der SRG SSR. Zudem war er 18 Jahre lang – seit Beginn der PKS – Mitglied im Stiftungsrat der Pensionskasse SRG SSR (PKS) und gleichzeitig Präsident der Anlagekommission der PKS. In diesen Rollen hat er alle möglichen Herausforderungen einer Pensionskasse gemeistert und Konzepte mitgestaltet. Gestartet im Jahre 2003 mit rund 3500 Aktivversicherten und noch keinem Rentenbezüger, erreicht die PKS heute mit 6600 Aktivversicherten und über 2500 Rentnerinnen und Rentner eine ansehnliche Grösse.


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